Die Pfarrscheune in Metzels war am 23. Oktober 2012 brechend voll, als Pfarrer Hans Walter Goll über die «Bekennende Kirche» in unserem Dorf berichtete. Sein Vater war Pfarrer in der Bekenntnisgemeinde in Metzels, zu denen sich 80% der Dorfbevölkerung in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts zählten.
Was versteht man unter «Bekennende Kirche»?
Was ist die Bekennende Kirche, die sich ab 1933 in Nazi-Deutschland langsam, aber stetig bildete? Sie war eine Oppositionsbewegung. Sie bildete sich gegen die sog. «Deutschen Christen». Diese meinten tatsächlich, dass es keinen Gegensatz zwischen Christentum, evangelischem Glauben und dem Nationalsozialismus gibt. Sie verbanden das Hakenkreuz mit dem Kreuz Christi, obwohl ja das letztgenannte für die Sorge gegenüber den Schwachen, den Ausgrenzten, den «verlorenen Schafen», zu denen Jesus bewusst und tröstend ging, stand. Das Kreuz ist auch ein Symbol für Jesu Tod am Kreuz für unsere Sünden, aber «Sünde», Demut, Respekt vor dem ganzen, unbequemen Wort Gottes, vor der Bibel insgesamt, vor den 10 Geboten – das war den «Deutschen Christen» fremd. Sie wollten auch einen «heroischen» Christus, nicht den Heiland der gesamten, vor allem auch notleidenden Welt. Viele von ihnen verachteten das Alte Testament und die jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens. Manche wollten sogar das Alte Testament (in dem z.B. die 10 Gebote stehen) abschaffen. Antisemitismus, Ablehnung einer Ethik des Mitgefühls mit den Behinderten, Schwachen, das kannten die Deutschen Christen nicht. Sie wollten für die evangelische Kirche die Gelegenheit nutzen, am «Wiederaufstieg» Deutschlands durch Hitler, an der «nationalen Erhebung» teilzuhaben. In der evangelischen Kirche sollte für sie auch das «Führerprinzip» gelten. Beispielsweise konnte der Bischof bedingungslosen «Gehorsam» verlangen, wie sich das in Thüringen auch zeigen sollte. (Jeder versteht, dass das nicht mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren ist.)
Die Bekennende Kirche
Wort Gottes im Mittelpunkt
Die «Bekennende Kirche» wandte sich entschieden gegen diesen nationalen blinden Gehorsam. Herausragend war hier die «Barmer Theologische Erklärung» von 1934, die maßgeblich der Bonner Theologieprofessor Karl Barth verfasst hat. Sie bekannte sich zu Jesus Christus als einzigem Herrn der Kirche, zum Wort Gottes als Richtschnur für das tägliche und öffentliche Leben. Berühmte Vertreter der Bekennenden Kirche in Deutschland waren Dietrich Bonhoeffer, der Schweizer Karl Barth und Martin Niemöller. Bekenntnispfarrer und auch Laien kamen z.T. sogar ins Konzentrations-lager und mussten so für ihren geistigen Widerstand büßen. In Thüringen zählten sich 100 von 700 Pfarrern und Geistlichen zur Bekennenden Kirche – und 11.000 Laien!
Verfassungswidrige Kirchenwahlen im Juli 1933
Als Hitler im Juli 1933 allgemeine Kirchenwahlen verfassungswidrig durchführen ließ, gewannen vielerorts die «Deutschen Christen» in den Kirchenvorständen die Mehrheit, so auch in Metzels. Der seit 1933 hier amtierende Pfarrer Wilhelm Wolf (1910-1944) war mit seiner an der Bekennenden Kirche orientierten Haltung nun hier plötzlich in der Minderheit. Aber es sollte in Metzels anders kommen, als es der nationalsozialistisch orientierte Bischof in Eisenach, Martin Sasse (amtierte seit 1934), und sein gleichgeschalteter Kirchenrat ahnen konnten.
Thüringer Dorfgemeinden werden Bekenntnisgemeinden
In Thüringen gab es ab 1933 verschiedene mutige Bekenntnisgemeinden auf dem Land, wie in Metzels, Kaltenwestheim, Probstzella und Mihla.
Außergewöhnlicher Widerstand in Metzels.
Metzels darf stolz darauf sein, zu den hervorragenden Bekenntnisgemeinden zu zählen.
Gründung der Bekenntnisgemeinde mit Pfarrer Wolf im Sommer 1935
Am 21. Juli 1935 hielt Pfarrer Wolf wieder einen Gottesdienst in der Pfarrkirche. Eine Überraschung für viele: In den Mitteilungen verkündete er der Gemeinde, dass er einer Einladung zu einer Fortbildung durch den Nazi-Bischof Sasse nicht folgen würde. Sofort wurde sein offener Widerstand bis nach Eisenach bekannt. Die Folgen musste er bald tragen: Ein anonymer Schmähbrief in seinem Briefkasten, eine öffentliche Veranstaltung mit dem NS-Kreisleiter, bei der er vor aller Augen bloßgestellt wurde, ein Schmähartikel in der Zeitung folgten. Wenige Wochen später entfernten ihn Bischof Sasse und sein Kirchenrat Paul Lehmann aus dem Pfarramt, unter Protest weiter Teile der Dorfbevölkerung. Die Kirche durfte Pfarrer Wolf nicht mehr betreten, später wurde ein deutsch-christlicher Nachfolger, Pfarrer Benger, eingesetzt. Er durfte mit seiner Mutter ins Pfarrhaus einziehen und in der Kirche predigen. Unterschriften wurden derweil gesammelt für den angegriffenen, beliebten Pfarrer Wolf, der das Wort Gottes unverfälscht predigen wollte. Das nützte nichts. Aber man entschloss sich zum Handeln. Eine Bekenntnisgemeinde wurde gegründet. Christian Lemuth wurde ihr mutiger Vorsitzender bis Kriegsende. Rote Mitgliedskarten wurden bei der «Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft» (so nannte sich die Bekennende Kirche in Thüringen) bei Pfarrer Ernst Otto in Eisenach bestellt. Pfarrer Wolf wurde eine Wohnung gestellt. Eine Scheune diente als Gottesdienstraum. Sie war oft überfüllt, im Gegensatz zur Kirche. 80% der Dorfbevölkerung zählten sich zur Bekennenden Gemeinde in Metzels. Pfarrer Wolf, der auch den Friedhof nicht mehr für eine Beerdigung betreten durfte, konnte bis zum 4. Februar 1937 bleiben. Das war auch ein kleines Wunder und dem glaubensfundierten Widerstandsgeist der Metzelser Bevölkerung zu verdanken.
Die Gestapo hatte Pfarrer Wolf unter Androhung schwerster Strafen aus Thüringen verwiesen, nachdem es der nationalsozialistisch orientierten Kirchenleitung in Eisenach nicht gelungen war, ihn aus Metzels zu entfernen.
Werner Goll (1911-2003)
Nachfolger von Pfarrer Wolf wurde Werner Goll, der aus Gera stammte. Ihm wurde aufgrund seiner Haltung und Glaubensüberzeugung durch Nazi-Bischof Sasse eine Anstellung verweigert. Damit wurde er einer der ersten Vikare der Bekennenden Kirche Thüringens und von der «Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft» nach Metzels abgeordnet. Hier hatte er das angefangene Werk Pfarrer Wolfs weitergeführt: Unter ebensolchen Schikanen, unter Gottesdienstverboten, Verbot der Jugendarbeit, Verbot des Friedhofsgangs des Pfarrers etc.
Werner Goll, Christian Lemuth und auch Pfarrer Köhler aus Hildburghausen verhinderten die geschickte Ausmerzung der Bekenntnisgemeinde durch eine «Befriedungs»-Initiative aus den Reihen der Hitlerpartei und des damaligen Lehrers Vollrath. «Die Bevölkerung von Metzels hat mich immer getragen und hinter mir gestanden. Hier in Metzels habe ich mich wohlgefühlt, trotz aller widrigen Umstände», bekannte Werner Goll seinem Sohn lange noch nach dem Krieg. Von 1937-1939 begleitete er sein Amt in Metzels. Die Bekenntnisgemeinde blieb bis Ende des Krieges bestehen. Die Gegensätze vor Ort verminderten sich in den Kriegsjahren.
«Kirchenkampf in Metzels und anderswo (1933-1939)
Im Buch sorgfältig und spannend dokumentiert Hans Walter Goll hat diese außergewöhnlichen und ermutigenden Vorgänge in Metzels in einem gut lesbaren, spannenden Buch zusammengetragen: Mit Zeitzeugenberichten, mit akribischer Recherche im Landeskirchenarchiv Eisenach, wo viele Dokumente aus der Zeit noch vorhanden sind. Das Buch «Kirchenkampf in Metzels und anderswo (1933-1939) – Ein Einblick in die Thüringer Bekennende Kirche in den Jahren des Nationalsozialismus», (Verlag Editionshwg 2012) zeigt auch viele von ihnen, z.B. auch die Unterschriften-sammlung der Metzelser Bevölkerung oder Bilder aus dem Leben der Bekenntnisgemeinde.
2012 wurde diese für unsere Metzelser Kirchengeschichte wichtige Publikation in der Pfarrscheune, organisiert durch den Heimatverein Metzels, vorgestellt. Von einer «Frontlinie durchs Dorf», die damals durch Metzels ging, war nichts mehr zu spüren. Das Buch und die herausragende, jüngere Kirchengeschichte von Metzels ist auch ein Aufruf, heute die Werte der Humanität und des im Wort Gottes verankerten Glaubens weiter hochzuhalten und zu bewahren.
Das Buch kann in jeder Buchhandlung oder beim Autor bezogen werden: editionshwg@bluewin.ch,
ISBN 978-3-033-03454-9
Diese Zusammenfassung wurde auf Grundlage eines Textes von Hans-Walter Goll (Buchautor und Pfarrer in Graubünden/Schweiz) erstellt.